11ER: Was für ein Spiel: 0:2 hat Ihre Mannschaft gegen Niederkell bereits zurück gelegen, es aber dann geschafft, einen 4:3-Sieg nach Hause zu fahren. Wie fällt Ihre Einschätzung aus?

Marco Neumann: Es war Wahnsinn und ein Spiel der Emotionen, von denen du in einer Saison nicht so viele brauchst, weil das Nervenkostüm schon extrem angespannt ist. Ich habe ja immer gesagt, dass mir ein 4:3 lieber ist als ein 1:0, weil ich ein Verfechter des Offensivfußballs bin. Doch manchmal muss man die Jungs auch mal bremsen. Sie haben nach dem 4:2 weiter nach vorne gespielt und dann die Räume noch mal nach hinten geöffnet. Das hätte dann auch noch schiefgehen können, weil Niederkell in der 90. Minute einen Pfostenschuss hatte. Da muss man vielleicht auch defensiver denken. Dann wäre es 4:4 ausgegangen und das wäre nun gar nicht gerecht gewesen für die grandiose Aufholjagd, die wir nach der Halbzeit gestartet haben. Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle, doch ich bin sehr stolz auf die Jungs, mit welcher Leidenschaft und Hingabe sie das noch umgebogen haben. Sie haben mir als Trainer schon in der Kabine zur Halbzeit das Gefühl gegeben, das Spiel noch umzubiegen.

11ER: Was kann dieser Sieg bei Ihrer Mannschaft auslösen?

Neumann: In den letzten Wochen haben wir oft davon gesprochen, dass wir ein Erfolgserlebnis brauchen, um da unten rauszukommen und dass die Mannschaft wieder neues Selbstvertrauen tankt. Ich lebe auch lieber mit diesen Emotionen als bei einem klaren 3:0. Die Jungs haben jetzt wieder mehr Vertrauen in sich und ihre Leistung. Sie haben auch den Glauben wieder gefunden, Torchancen zu kreieren, Tore zu schießen und Spiele zu drehen. Das schien in den Wochen zuvor abhanden gekommen zu sein. Mit diesem unglaublichen Selbstvertrauen gehen wir jetzt in die Partie mit Longuich und in die restlichen Spiele.

11ER: War dieser Sieg überfällig oder hatte Ihre Mannschaft in den letzen Spielen zu wenig Spielglück?

Neumann: Ich bin weit davon entfernt zu sagen, dass wir jeden Gegner an die Wand spielen. Außer im Spiel gegen die Eintracht haben wir stets auch gute Phasen gehabt. Wir haben oft gute Spiele gemacht, uns aber nie dafür belohnt. Wir setzen in jedem Match Akzente und ich habe jetzt auch ein gutes Gefühl. Dieser Sieg löst natürlich im Kopf der Spieler etwas aus. Dieses Spielglück kommt auch nicht von allein, es muss erarbeitet und erzwungen werden. 

11ER: Wie sehen Sie die aktuelle Konstellation im Abstiegskampf, die sich ja wöchentlich ändert? Bleibt es bis zum letzten Spieltag am 25. Mai extrem spannend?

Neumann: Als ich nach unserem Sieg gegen Kell das Ergebnis von Tarforst (3:3 gegen Longuich) gesehen habe, war mir das plötzlich egal. Klar, die Situation kann sich immer ändern. Doch wir gucken immer nur auf uns. Wir kennen unser Restprogramm und wissen, was zu tun ist. Jetzt sind wir wieder der Gejagte. Es bleibt extrem spannend, es werden vier Wochen der Emotionen. Der Abstiegskampf wird ja indirekt auch im Kopf entschieden. Doch das Wichtigste ist, dass wir den Klassenverbleib wieder in der eigenen Hand haben. Wir müssen unser Ding nur durchziehen. 

11ER: Wie schätzen Sie den kommenden Gegner SG Longuich ein?

Neumann: Ich bin seit zwölf Jahren beim VfL, habe aber fast nie gegen Longuich gespielt. Unser alter Trainer Bilal Boussi, mit dem ich im ständigen Kontakt stehe, hat mir aber Tipps und Ratschläge über unseren nächsten Gegner gegeben. Laut Rückrundentabelle ist Longuich derzeit die sechstbeste Mannschaft. Sie haben super Ergebnisse aufs Tableau gebracht. Sie sind zuletzt zweimal stark zurückgekommen nach jeweiligen Rückständen, die Moral bei dieser Mannschaft stimmt. Sie werden zu uns kommen, um zu gewinnen und wollen die letzten Punkte zum Klassenerhalt sicher auch bei uns einfahren wollen. Da müssen wir uns drauf einstellen. Das wird kein Spaziergang, nur weil Longuich scheinbar schon im sicheren Hafen ist.

11ER: Haben Sie irgendwelche Erinnerungen an das Hinspiel, auch wenn Sie seinerzeit noch Trainer der zweiten Mannschaft beim VfL waren? 

Neumann: Das Hinspiel habe ich als Zuschauer gesehen. Longuich war seinerzeit dünn besetzt und hatte viele Ausfälle zu beklagen. Der VfL hat damals sein wohl schlechtestes Auswärtsspiel gemacht und 0:1 verloren.  

11ER: Was können Sie über Ihren Matchwinner vom vergangenen Wochenende sagen? Welche Qualitäten bringt Raul Cosano Kreutzer mit?

Neumann: Raul ist 20 Jahre jung und so unbekümmert. Er besitzt eine unfassbare mentale Qualität und hat uns mit seinen zwei Toren ins Spiel zurückgebracht. Beim 3:2 schnappte er sich den Ball als 20-Jähriger, ging voran und schoss den Elfmeter rein. Raul zeigt in seinem jungen Alter schon dicke Eier, ist ein Charakterspieler und ein Mentalitätsmonster. Er bringt alles mit, was einen guten Stürmer auszeichnet und reißt die Mannschaft in schwierigen Situationen mit. Er hat die Jugend beim VfL Trier gespielt und war später Kapitän der erfolgreichen A-Jugend-Mannschaft, die er mit der JSG Trier-Süd auch in die Rheinlandliga geführt hat.