Düsseldorf, 11. März 2021. Steffen Tigges ist einer der interessantesten deutschen Nachwuchsstürmer. Physisch stark, mental stark und mit einem frischen BVB-Profivertrag ausgestattet. Im Interview spricht der 22-Jährige über vollen Einsatz und leere Tribünen, überbezahlte Fußballer und unterbezahlte Krankenpflegerinnen, sein Sportbusiness-Studium und seinen Sturmpartner Erling Haaland – und darüber, warum er auf der Playstation unterirdisch schlechte Freistoß-Werte hat.

 IST: Herr Tigges, gibt es etwas Schöneres, als mit 22 Jahren einen Profivertrag beim BVB zu unterschreiben?

Steffen Tigges: Das ist ein Kindheitstraum von vielen. Und mich macht es stolz, mir diesen Traum durch harte Arbeit erfüllt zu haben. Dann noch bei so einem großen, traditionsreichen Verein, der zu den besten der Welt gehört, ist schon sehr besonders.

Aber gibt es umgekehrt etwas Traurigeres, als seinen ersten BVB-Profi-Einsatz vor leerer Südtribüne spielen zu müssen?
Tigges: Das ist schon traurig, aber leider aufgrund der aktuellen Situation notwendig. Zudem sind wir dankbar und demütig, dass wir zurzeit überhaupt spielen dürfen. Die Stimmung in Dortmund ist einzigartig. Ich freue mich sehr, wenn ich diese Stimmung dann auch auf dem Rasen erleben kann.

Sie waren Kapitän in der zweiten Mannschaft, sind seit Januar bei den Profis und standen jüngst gegen den FC Bayern auf dem Platz – was sind Ihre persönlichen Saisonziele?
Tigges: Ich möchte weiter Bundesliga-Minuten sammeln – und als Stürmer, klar, mein erstes Tor für den BVB schießen.

Und wohin geht es für den BVB noch in dieser Saison?
Tigges: Wir hinken zurzeit unseren eigenen Ansprüchen hinterher. Doch die letzten Spiele stützen meine Meinung, dass wir uns auf jeden Fall für die Champions League qualifizieren, wenn wir die Qualität und Mentalität, wie zuletzt, wieder auf den Platz bringen.

Sie sind 22 Jahre alt, kommen vom TuS Glane über den VfL Osnabrück nach Dortmund – und spielen jetzt mit absoluten Weltstars wie Marco Reus und Erling Haaland zusammen. Welcher Mitspieler beeindruckt Sie am meisten?
Tigges: Sie beeindrucken mich alle, haben alle unterschiedliche Fähigkeiten. Aber Erling hat natürlich Qualitäten, die sind einmalig. Seine Dynamik und Torgefahr beeindrucken mich jedes Mal aufs Neue.

Apropos beeindrucken – bei welcher Transferanfrage würden Sie sofort schwach? Real? United?
Tigges: Tatsächlich steht der BVB schon ganz oben auf meiner Liste. Es gibt nicht viele größere Vereine auf der Welt. Darum freue ich mich sehr, in Dortmund zu sein und für diesen Verein zu spielen.

Mit dem BVB haben Sie ja auch die Chance, sich mit den Größten Vereinen zu messen. Gegen welchen Spieler möchten Sie unbedingt mal spielen?
Tigges: Sergio Ramos. Er ist seit Jahren das Maß aller Dinge in der Verteidigung und bringt national und international konstant starke Leistungen. Sich mit ihm zu messen, wäre sehr spannend. Um zu schauen, ob man in der absoluten Weltspitze mithalten kann.

Sergio Ramos muss, wenn er sich wirtschaftlich nicht unglaublich dumm anstellt, nie wieder arbeiten. Für die meisten Profifußballer gilt das nicht. Sie bereiten sich parallel mit einem Bachelorstudium Sportbusiness Management auf die Zeit nach dem Fußball vor – wieso?
Tigges: Mir war klar, dass ich mir nebenbei ein zweites Standbein für die Karriere nach der Karriere aufbauen möchte. Nach meinem Abitur habe ich meinen ersten Profivertrag in Osnabrück unterschrieben und mich dann über ein Studium informiert. Aufgrund der Flexibilität bin ich schnell bei der IST-Hochschule gelandet. Durch das Studium möchte ich mir einen direkten Einstieg ins Sportbusiness ermöglichen.

Wie sind Ihre Erfahrungen als IST-Student?
Tigges: Ich habe in allen Bereichen durchweg positive Erfahrungen gemacht. Die Hilfestellungen seitens der IST und die vielfältigen Lernangebote sind für mich ein riesiger Pluspunkt. Auch die Angebote außerhalb des Studiums, beispielsweise weitere Webinare, versuche ich ab und zu wahrzunehmen.

Ist das Thema Bildung auch im Verein und in der Mannschaft präsent? Tauschen Sie sich mit Ihren Mitspielern über das Studium aus?
Tigges: Auf jeden Fall. Es gibt nur wenige, die sich keine Gedanken über das Leben nach der Karriere machen. Viele Fußballer bauen sich auch als Quereinsteiger Unternehmen auf oder investieren in welche. Auch Immobilien sind ein häufiges Thema. Viele fragen mich, was ich studiere und wie ein Fernstudium abläuft. Die meistgestellte Frage ist allerdings, was man mit meinem Studiengang später anfangen kann.

Ja, was kann man denn damit anfangen? Sie gelten als meinungsstark, waren Kapitän der BVB-Reserve – denken Sie ans Sportmanagement für Ihre zweite Karriere?
Tigges: Ich versuche schon, in einer Gruppe voranzugehen und meine Meinung zu sagen. Dennoch steht für mich das Team jederzeit im Vordergrund. Auf jeden Fall kann ich mir die Arbeit im Sportmanagement vorstellen, da mich der Bereich sehr interessiert und ich meine Erfahrungen, die ich gesammelt habe und sammeln werde, sehr gut einbringen kann.

Was machen Sie eigentlich lieber? Lernen oder Ausdauertraining?
Tigges: Ich mache beides sehr gerne, da beides wichtig und notwendig zum Erreichen meiner persönlichen Ziele ist. Am liebsten stehe ich allerdings auf dem Platz und spiele Fußball.
Ihr aktueller Marktwert liegt bei 700.000 Euro – der von Mbappé bei 180 Millionen. Ihre Freundin ist Krankenpflegerin und verdient als solche pro Jahr weniger als die meisten Fußballer in einem Monat – was denken Sie?
Tigges: Diese Summen sind für mich sehr realitätsfern. Besonders in diesen Zeiten. Die Dimensionen sind im Zuge der Kommerzialisierung entstanden und werden sich auch so schnell nicht ändern. Durch meine Freundin habe ich eine ungefähre Ahnung, wie hart die Bedingungen in den Pflegeeinrichtungen sind. Die Bezahlung spiegelt weder die Verantwortung noch die Arbeitsbedingungen mit Personalmangel und undankbaren Arbeitszeiten wider. Grundsätzlich sollte die Anerkennung für die Leistungen der systemrelevanten Berufe, insbesondere durch die Politik, erhöht werden. Durch Corona ist vielen bewusst geworden, wie dankbar wir für unserer Gesundheitssystem sein können und wir dieses in allen Bereichen unterstützen sollten. Deswegen finde ich es richtig und wichtig, dass sich im Fußball auch sehr viele Leute sozial engagieren, um Missstände aufzuzeigen und zu beseitigen, beispielsweise durch entsprechende Stiftungen.

Bei FIFA 21 wird Ihre Freistoßqualität mit nur 28 angegeben – was ist da los?
Tigges: Freistöße sind nicht meine Stärken, ich habe auch noch nie einen in meiner Karriere geschossen. Von daher ist der Wert absolut gerechtfertigt. Wenn ich am ruhenden Ball stehe, muss sich keiner fürchten.

Gleichzeitig haben Sie bei Stärke einen Wert von 86 – was sind denn Ihre Stärken – auf und neben dem Platz?
Tigges: Ich bin schon eher der physische Stürmer, der sich für die Mannschaft aufreibt und arbeitet. Edeltechniker haben wir ja auch mehr als genug. Aber auch im Torabschluss habe ich meine Stärken. Neben dem Platz bin ich sehr begeisterungsfähig und hilfsbereit. Ich versuche, offen durch das Leben zu gehen. Durch den Fußball ist man automatisch neben dem Platz auch sehr diszipliniert und teamfähig.

Was war Ihr bislang größter Treffer?
Tigges: Persönlich auf jeden Fall meine Freundin Sara, mit der ich seit knapp sieben Jahren zusammen bin. Fußballerisch mein Doppelpack für den VfL Osnabrück in Kaiserslautern auf dem legendären Betzenberg. Diese beiden Tore werde ich wohl nicht mehr vergessen.
Das Interview wurde von der IST-Hochschule für Management geführt, die branchenspezifische Bachelor- und Master-Studiengänge in den Bereichen Fitness & Gesundheit, Sport & Management, Tourismus & Hospitality sowie Kommunikation & Wirtschaft anbietet.