Werden Fußballsammelkarten bald nur noch per Smartphone getauscht? Gut möglich! Die Fußball-Web-Doku "Abseits" bietet den Besuchern virtuelle Fußball-Sammelkarten zu verschiedenen Themen. Unter anderem berichtet ein senegalesischer Fußballer von Wettbetrug in der Schweiz, es gibt Interviews mit Emmanuel Petit und viele weitere bunte Themen rund um das Thema Fußball. Wir haben mit einem der Macher, Andreas Poll, über das Projekt gesprochen.

Wie kam es zu der Idee?

Wir wollten vor und während der EM zwei Elemente zusammenbringen. Zum einen Geschichten abseits des Rasens erzählen, die nicht nur die schönen Seiten des Sports erzählen. Zum anderen das beliebte Panini-Prinzip ins Netz bringen.

Wie viele Menschen waren an dem Projekt beteiligt?

„Abseits“ ist eine Fußball-Web-Doku des Bayerischen Rundfunks und Arte, produziert von der französischen Produktionsfirma Upian. Beteiligt sind außerdem einige französische, schweizerische und belgische Medien, die hier aufgeführt sind: https://abseits.football/partner. Ich persönlich bin Projektleiter auf Seiten des BRs.

Wie lange hat die Umsetzung gedauert?

Das ist schwer zu sagen. Vom Start der Produktion bis zum Online-Start waren es ca. sechs Monate. Insgesamt sind es 99 Geschichten, hauptsächlich Video-Interviews, das dauert natürlich, bis diese alle abgedreht sind. Außerdem sind alle Karten gezeichnet, immer mit einer speziellen Motiv-Idee. Und da es zweisprachig ist, also deutsch und französisch, mussten die Interviews auch übersetzt werden.

Welche Hindernisse gab es?

Wir haben einige kritische Themen dabei: Doping, Spielmanipulation oder die Geschäfte rund um den Transfermarkt. Da war es aufwändig, all die Gesprächspartner zu bekommen, die wir wollten. Das ist für Journalisten ja immer eine Herausforderung. Ich denke allerdings, dass wir dem User einen sehr guten Einblick in diese speziellen Themen geben können.

Was ging dagegen leicht?

Es ist schon erstaunlich, wie viele Themen und Geschichten es rund um den Fußball gibt – neben der reinen Ergebnis-Berichterstattung. Das hat Spaß gemacht bei der Auswahl. Meine persönliche Lieblingsgeschichte ist dabei das Geständnis des senegalesischen Profispielers Pape Omar Faye, der offen erzählt, wie er früher in der Schweiz Spiele manipuliert hat. Dabei wird klar, wie einfach es ist, im Fußball Spiele zu beeinflussen.

Was macht die virtuellen Sammelkarten aus?

Die meisten davon sind Video-Interviews mit Insidern aus dem Fußballgeschäft. Es ist klasse, dass wir unter anderem mit so hochkarätigen Leuten wie dem FIFA-Präsidentschaftskandidaten Jerome Champagne, dem Ex-Fußballer Emmanuel Petit oder dem Adidas-Unternehmenssprecher Jan Runau sprechen konnten. Da wurde investigativ einiges  von unseren Redakteuren geleistet. Spannend wird es auch sein, in welchem Licht man die Interviews in ein paar Jahren sieht.

Besonders erwähnenswert ist auf jeden Fall die großartige grafische Ausarbeitung der digitalen Karten. Jede der 99 Karten hat, wie bereits oben erwähnt, eine thematisch passende Zeichnung bekommen. Verantwortlich hierfür ist der französische Comic-Zeichner Grégory Mardon. Auch die Rotoskopien, die kurzen animierten Bewegtbild-Sequenzen zu Beginn und Ende der Videos, sind gezeichnet und immer angelehnt an bekannte Originalspielszenen der Fußballgeschichte. Da kann jeder User testen, ob er weiß, um welche Szene es sich handelt. (lacht)

Wie kam es zur Themenauswahl?

Wir wollen spannende Geschichten erzählen, die der User noch nicht kennt. Beispielsweise aus den Themengebieten „Glitzerwelt & Sponsoren“, „Social Media & Marketing“ oder „Spione & Geheimagenten“. Dabei haben wir bewusst auch Bereiche ausgesucht, in denen es nicht immer so schön zugeht. Wir hatten heiße Diskussionen, ob die User solche kritischen Geschichten vor und während der EM wollen. Ich persönlich denke, dass die Leute sehr wohl wissen wollen, was abseits des Rasens passiert. Gerade in einer Zeit, in der der Fußball immer weiter und schneller kommerzialisiert wird und es bereits einige Fans gibt, denen das alles klar zu weit geht.

Worauf wurde geachtet?

Wir wollen über die Welt abseits des Rasens erzählen und nicht mit dem Zeigefinger darauf deuten. Ich persönlich denke, dass der Fan in den nächsten Jahren mehr mit einbezogen werden muss, sonst werden sich wichtige Fanteile vom Fußball abwenden, und das wäre für keinen gut. Ich für meinen Teil habe genauso wie alle Fußballfans den Wunsch, dass der Fußball Sport bleibt und keine Ware wird.

Wie funktioniert das Tauschen?

„Abseits“ ist eine Fußball-Web-Doku zum Sammeln. Der User kann 99 Geschichten sammeln. Dabei gibt es neun Themengebiete mit jeweils elf Geschichten. Jedes Themengebiet ist dabei wie eine Nationalmannschaft in einem analogen Sammelalbum. Nur dass der User eben keine Spielerbildchen sammelt, sondern investigativ recherchierte Geschichten. Herausforderung ist dabei, dass er am Ende alle neun Themengebiete vollständig gesammelt hat, also alle 99 Geschichten.

Die User bekommen nach ihrer Registrierung jeden Morgen neue Abseits-Karten in einem „Daily Package“, angelehnt an die analogen Panini-Päckchen, die es im Schreibwarenladen gibt. Nur bei „Abseits“ eben kostenlos und digital. (lacht) Will ein User allerdings sein digitales Sammelalbum noch schneller mit Geschichten/Karten füllen, kann er sie in den sozialen Netzwerken teilen, so wie es der analoge Sammler mit seinen Freunden macht. Oder er sucht im Netz nach weiteren Karten, die andere User zum Teilen angeboten haben. Umso mehr er teilt und tauscht, desto schneller bekommt er weitere Karten für sein Album und desto schneller ist dieses dann komplett. Das Teilen funktioniert dabei unter anderem über Mail, Facebook, Reddit oder Twitter.

Kostet es etwas?

Nein, „Abseits“ ist kostenlos. Es bedarf nur einer Anmeldung per Mail, damit man jeden Vormittag neue Karten bekommt.

Interview: Stefan Himmer