In der Kreisliga steckt viel mehr Champions League als man glaubt. Joel Grandke, seines Zeichens hochqualifizierter Kreisligakicker, hat ein Buch darüber geschrieben. In seinem Werk "Nimm Du ihn, ich hab ihn sicher – Bäuche, Bier und Butgrätschen. Die fitkive Vereinschronik von Vorwärts Benenbröök" widmet sich Grandke den Details des Kreisliga-Kicker-Daseins. Der Autor blickt auf den Kader, beleuchtet die Menschen hinter den Kulissen und lässt den Leser an einigen Kabinenfesten teilhaben.

Du warst beim 8:1 gegen den FC Lune gar nicht im Kader – ist die Karriere als Fußballer schon vorbei?
Ich könnte behaupten, dass ich ähnlich wie BVB-Star Aubameyang kürzlich nur aus dem Kader geflogen, weil ich wie er unter der Woche unerlaubt nach Mailand gejettet bin. Das wäre aber natürlich gelogen. Ich war in Madrid unterwegs. Hauptsache Italien.

Was war deine schlechteste Ausrede in der Kreisliga?
Besonders kreativ war ich meist nicht. Aber wenn ich auf der Arbeit tatsächlich so viele Überstunden gemacht hätte wie diese, mit denen ich meine Abwesenheit beim Training entschuldigt habe, wäre ich wohl jeden Monat Mitarbeiter des Monats geworden. Bin ich aber nicht. Zurecht.

Wie lautet dein liebstes Kreisliga-Zitat?
Ich werde nie vergessen, wie unser Libero vom Schiedsrichter mit folgenden Worten begrüßt wurde: „Sie kenne ich noch aus der Hinrunde – wir unterhalten uns nur in Farben!“

Was können Profis von Kreisligafußballern lernen?
Der Fußballromantiker in mir würde sagen: Vereinstreue auf Lebenszeit und unentgeltliche Leidenschaft von der ersten bis zur letzten Minute. Eine ernsthafte Antwort wäre allerdings deutlich vielschichtiger und würde hier den Rahmen sprengen. Am Ende muss man auf vielen Ebenen daran arbeiten, dass Fans und Profis, inklusive ihrer Vereine, nicht weiter auseinanderdriften und die Identifikation nicht auf der Strecke bleibt. Das ist zwischen Kreisligakickern und ihren Anhängern natürlich sehr viel einfacher.

Und umgekehrt?
Fußballerisch könnte ich hier natürlich ein A bis Z herunterrattern. Von der Abseitsfalle bis zum Zuckerpass. Auch wenn es natürlich immer Gegenbeispiele gibt: Die Fairness auf dem Platz gelingt zwischen den Profikickern meist doch deutlich besser als in den Amateurligen zwischen den Kreisklassespielern. Trotz aller Leidenschaft, die die Kreisliga gewiss auch ausmacht, schießen deutlich zu viele Spiele über das Ziel hinaus. Das Thema „Gewalt im Amateurfußball“ sollte nicht kleingeredet werden.

Wieviel Realität steckt im fiktiven Verein Vorwärts Benenbröök?

Wenn ich temperamentvolle Spielercharaktere, pöbelnde Zuschauergruppen oder zweifelhafte Behandlungsmethoden von Verletzungen beschrieben habe, dann musste ich mich nur an meine zwei Jahrzehnte zwischen Kreisklasse und Bezirksliga zurückerinnern. Da brauchte ich wirklich nicht mehr viel Fantasie, um Vorwärts Benenbröök entstehen zu lassen. Es könnte genauso gut ein Vereinsjahr von einem Cuxland-Club beschrieben sein. Ich bin mir sicher, dass viele Kicker aus unserer Region sich oder ihren Verein darin wiedererkennen. Auf der anderen Seite macht es den Amateurfußball ja aus, dass er überall in Deutschland nach einem ähnlichen Schema abläuft. Auch bei einem Verein im tiefsten Bayern wird die Gemeinschaft ähnlich zelebriert wie bei einem Team in Ostfriesland. Wir sprechen ja keinesfalls von einem regionalen Phänomen.

Du hast das Buch innerhalb weniger Monate geschrieben. Warst du selbst überrascht, dass Du es so „schnell“ schreiben konntest?
Der Amateurfußball bietet viele Anekdoten und Kuriositäten, die sich gut zusammenführen ließen. Als Student hatte ich zudem die Möglichkeit, mich in den Monaten zeitlich sehr auf das Projekt fokussieren zu können. So kam ich in einen guten Fluss, während ich in die Benenbrööker Welt eingetaucht bin. Als Erstlingsautor ist es immer etwas schwierig einzuschätzen, wie lange man für die 200 Seiten benötigt. Mir war aber klar, dass es mir an Material nicht mangeln würde.

Woher kommt dieser Antrieb?
Ich bin in dieser Welt zuhause, seit ich als Sechsjähriger dem Sportverein beigetreten bin. Was wir Amateurfußballer Woche für Woche als selbstverständlich hinnehmen, birgt so viele komische Geschichten, Angewohnheiten und Spielertypen in sich. Dass darüber noch nicht auf eine witzige Art und Weise geschrieben wurde, wunderte mich bei meiner Recherche im Vorfeld doch sehr. Ich hoffe zudem auch dem ein oder anderen nicht-fußballaffinen Leser aufzuzeigen, was der Reiz an dem niveaulosen Gekicke auf den Dorfsportplätzen ist. Es ist ja viel mehr als nur das – zugegebenermaßen oft wenig ansehnliche – Treiben auf dem Rasen.
Wie hängen das Buch und deine Kolumne bei Spox.com zusammen?
Ohne die Kolumne hätte es das Buch wohl nicht gegeben. Meine Blogs auf Spox waren für mich der Auftakt, den Amateurfußball auf ironische Art zu beobachten. Damals gab es noch keine Kreisliga-Facebook-Fanseiten oder Sprüchesammlungen in der Form, wie wir sie heute zuhauf finden. Die Resonanz damals war überwältigend. Dadurch ist mir auch erst klar geworden, wie riesig und begeisterungsfähig diese Zielgruppe ist. Auf dieser Grundlage habe ich erst angefangen zu schauen, was der Buchmarkt in dieser Richtung hergibt und überlegt, dass ich das fehlende Angebot gern bedienen würde.

Was macht die Kreisliga so spannend?
Es ist schwierig, das auf ein paar Schlagworte herunterzubrechen. Auf jeden Fall ist die Identifkation gewährleistet, also die Bindung zwischen den Spielern auf dem Platz, dem Umfeld und den Zuschauern. Es ist der Reiz des ehrlichen Fußballs, fernab von überbezahlten „Söldnern“ und korrupten Verbänden. Weit weg von den großen Stadien und Ausnahmekönnern dieser Welt wird Fußball noch in seiner Reinform zelebriert. Eingeflogene Blutgrätschen auf Kniehöhe, Bratwurst als letzte Stärkung unmittelbar vor der Einwechslung und Promillewerte, die manchmal höher sind als die Rückennummer. Hier wird Leidenschaft und Vereinstreue groß geschrieben. Die Fans identifizieren sich voll und ganz mit der Mannschaft und wissen, woran sie sind. Profis leben in einer Blase, Kreisklassenkicker direkt unter uns. Es gibt immer mehr Zuschauer, denen das wichtiger ist als der hochklassige Sport.

Manche Kreisligaspieler haben gar keine Zeit fürs Training – wie viel Zeit steckst du wöchentlich in dieses „Hobby“?
Zugegeben: Man sieht mich bei meinem Heimatverein, dem TSV Otterndorf, nur sehr selten auf dem Sportplatz. Wenn, dann aber mit derselben Leidenschaft wie zu vorherigen Zeiten. Ich studiere mittlerweile in Hamburg und schaffe es daher nur selten, die Heimfahrten auf mich zu nehmen. In Hamburg kicke ich hin und wieder beim Uni-Sport mit, damit ich zumindest nicht ganz das Gefühl für den Ball verliere. Wenn ich denn je eh eines hatte, werden einige meiner Mitspieler vielleicht einwenden…

Wann erscheint das nächste Buch und worum geht es?
Ich habe ein paar Ideen, aber sitze nicht an einem festen Projekt. Theoretisch könnte ich auch mit Vorwärts Benenbröök in eine zweite Saison gehen. Genug Stoff würde die Kreisliga allemal bieten. Ich bin generell auf jeden Fall sehr motiviert, mich in der nächsten Zeit an ein neues Manuskript zu setzen. In welche Richtung es genau geht, kann ich noch nicht sagen.

Interview: Stefan Himmer

Verlosung

Wir verlosen zwei Exemplare des Buchs! Schreibt uns einfach eine Mail mit dem Betreff „Nimm Du ihn, ich hab ihn sicher“ inklusive eures Namens und eurer Adresse an redaktion@elfer-magazin.de und ihr landet im Lostopf. Einsendeschluss ist der 1.12.2016, 14 Uhr.

Wer nicht länger warten möchte: Das Buch gibt’s für 9,99 Euro beim Riva-Verlag.